Twizel 2

Take 2

Heute heißt es Abschied nehmen, von der Kleinstadt mitten im Nirgendwo. Das Wetter ist besser, angeblich hält es bis Nachmittag. Aber wir wissen schon, dass Wettervorhersagen hier nur eine ungefähre Richtschnur darstellen und bei weitem nicht so präzise wie in Zentraleuropa sind. Und so zieht es uns noch einmal zum einzigen, größeren Gletschergebiet Neuseelands rund um "Mount Cook". Doch wir sind unschlüssig: lieber ein weiteres Tal in der Ebene zum "Tasman Lake" und weiter zum "Tasman Glacier" durchwandern, um Mount Cook und sein Eis von Osten bzw. den längsten Gletscher Neuseelands sehen zu können oder doch lieber die gestern nicht durchführbare Tour hinauf zu Mueller Hut? Wir tendieren zuerst in Richtung Ebene, entscheiden uns in letzter Minute um, denn eine Bergwanderung sollte man dann unternehmen, wenn das Wetter schön ist - die ebene Wanderung könnten wir bei der Rückfahrt ja immer noch machen, wenn wir wollen und dafür muss das Wetter nicht ganz so schön sein.

Gesagt, getan. Wir stellen unser Auto ab, schnappen unsere Rucksäcke und gehen los. Der örtliche Alpenverein hat sich sichtlich alle Mühe gegeben, Holzstiegen in einem Winkel von über 45 Grad in die Landschaft zu setzen. Dementsprechend steil angelegt, kommen wir schnell voran und bei der Sonne heute auch rasch ins Schwitzen. Wir wissen, dass wir den Gletscher bis zum Grat nur von der Seite sehen. Es bleibt also nur, zu gehen, zu gehen, zu gehen, bis wir den Gletscher komplett sehen können.

Unterwegs grummelt manchmal der Gletscher und knackt und kracht, nämlich dann, wenn sich wieder einmal Eis löst und dann eventuell mit Gesteinsbrocken zu Tal fällt. Durch die erhöhte Sonneneinstrahlung am Vormittag scheint das heute schon früher zu passieren als gestern. Der Weg wird nach der Hälfte weniger steil und wir kommen gut voran.

Umschwung oder nicht

Doch als wir fast schon beim Grat sind, ziehen dunkle Wolken zu uns herüber. Wir erreichen schon ein kleines Schneefeld, das jedoch einfach zu passieren ist. Und just, als wir den Grat überqueren, schlägt uns ein Wind entgegen und es beginnt zu regnen? Es ist gerade einmal 13:00 und schon tritt die Wefferverschlechterung der Prognose ein? Wir wissen uns zumindest zu helfen, zippen unsere Hosenbeine an, ziehen unsere Pullover an und legen unsere Regenjacken an. Denn jetzt sehen wir den Gletscher, zwar bei Wind und Wetter, dafür in seiner vollen Pracht. Wir gehen weiter, denn wir wollen noch den weiter westlichen Teil sehen, der noch durch ein paar Felsen verdeckt wird. Als wir uns in Bewegung versetzen, lässt der Regen nach, der Wind weicht wieder der Sonne und so suchen wir uns bald einen netten Platz auf einem runden Felsen und packen unser Mittagessen aus. Die Aussicht ist echt atemberaubend. So einen sterbenden Gletscher zu sehen - bald wird es ihn wohl nicht mehr geben - ist arg. Wie das Eis teilweise überhängt, die verschiedenen Eissschichten zu sehen und all die Wasserfälle, die durch das Schmelzwasser entstanden sind, sind ein Erlebnis. Hie und da bricht auch etwas Eis ab, meist sucht man den Ort des Geschehens vergeblich, weil es sehr viel lauter als groß ist.

Der Gletscher in seiner ganzen Pracht

Irgendwann lösen wir uns wieder von der Szenerie und machen uns an den Abstieg. Unterwegs spricht uns ein alleine reisender Deutscher aus Sachsen an. Er erzählt uns, dass dieser Ort hier auch einer seiner Favoriten in dem Urlaub ist - und er sei schon länger da. Er meint, dass sein Chef ihn dazu bewegt hat, endlich seinen Urlaub abzubauen. Als wir nachfragen, kommt heraus, dass es so um die vier Monate gewesen sind! Solche Urlaubskaiser haben wir in unserem Familien- und Freundereis auch, aber diese Zeitspanne ist schon rekordverdächtig. Er bestätigt uns auch die Unzuverlässigkeit der hiesigen Wetterprognosen.

Weiter nach Lake Tekapo

Der Abstieg geht relativ schnell von statten, da er nicht schwierig, aber wie gesagt teilweise sehr steil ist. Raphaela hat leider etwas Halsweh und fühlt sich recht schlapp. Nach einer kurzen Jause im Auto fahre ich uns zu unserem nächsten Ziel Lake Tekapo. Dort freuen wir uns schon auf unser heutiges Hotel, denn für die nächsten zwei Tage gönnen wir uns etwas Luxus und haben uns in den Grand Suites Tekapo einquartiert. Das Hotel wurde vor kurzem neu gebaut, das sieht man schon an der Zufahrtsstraße. Nach dem Check-in gehen wir in unserer Zimmer - es richt irgendwie neu und ist mit extrem hohen, vermutlich drei Meter hohen Fenster-Fronten ausgestattet. Das Zimmer ist zudem riesig, die Gehdistanzen sind zumindest viel größer als in unseren bisherigen Quartieren.

Das Weihnachtsdomizil und Blick

Jetzt wollen wir noch einen Tisch für unser Weinhnachtsessen morgen Abend reservieren. Da das vielfach nur per Telefon möglich ist, haben wir ohne lokale Nummer keine Lust, mehrere Euro pro Minute dafür zu zahlen. Daher schauen wir einfach in zwei Lokalen vorbei, ob sie denn morgen etwas für uns hätten. Bei dem ersten, das offensichtlich von Exil-Spanischsprechenden geführt wird, kann ich das sogar in ihrer Sprache tun. Nur leider weicht ihr anfänglicher Optimismus bald der Ernüchterung, dass sie morgen nur noch um 17:00 einen Tisch frei haben. Da wir das besser als nichts empfinden, nehmen wir ihn trotzdem. Als wir dann noch weiter schauen, finden wir ein anderes Lokal, das morgen noch einen Tisch für uns frei hat. Lustige Bemerkung am Rande: die Lokale in der Stadt sperren um 20:00 zu, oder servieren die letzte Bestellung. Und am 25.12.2022 ist hier das eigentliche Weihnachtsfest, wo alle Geschäfte, Lokale und alles, was geschlossen haben kann, auch zu hat. Dieser Tag ist wohl der einzige, der alle hier eint. Danach begeben wir uns zum ersten Lokal zurück und stornieren die Reservierung. Und heute? Da wir im Zimmer eine kleine Küche haben, genehmigen wir uns ein paar Fertiggerichte am Zimmer, weil es schon 19:00 ist, wir noch einkaufen wollen und die Lokale wie gesagt um 20:00 zusperrren! Das geht sich sonst alles nicht aus.

Am Abend schauen wir von unserer Loggia die Sterne am Himmel an. Das ist ein großer Unterschied, man sieht hier so viele kleine Sterne in der Milchstraße. Raphaela ist begeistert, dass der Orion auch zu sehen ist, halt nur verkehrt herum! So, ab in unser luxuriös breites Bett und jetzt wird geschlafen.

Copyright 2022 by Raphaela and Markus