St Arnaud

Berge sind beruhigend

Nach dem Frühstück fahren wir eine drei Kilometer lange Staubstraße ein Stück weiter hinauf zu einem Parkplatz des "Mount Robert". Es gibt dort nämlich ein paar Wanderungen bzw. sogar Mehrtagestouren mit Übernachtungsmöglichkeiten. Wir wählen eine kleinere Runde hinauf auf den Gipfel. Die Runde ist so klein, dass wir beschließen, unser Mittagessen nicht mitzunehmen, da wir zu Mittag wieder beim See sein wollen. A propos See, der Ort "Saint Arnaud" liegt am wunderschönen See "Lake Rotouiti". Aber durch die ganzen Bäume rund um die Häuser, die wahrscheinlich den Wind abhalten sollen, haben wir bis jetzt weder den See noch den Ort so wirklich wahrgenommen.

Wahrend des Aufstiegs überholt uns ein Mann, der einen Metalldetektor mit sich trägt. Das ist irgendwie witzig und wir können uns keinen Reim drauf machen.

Es ist ziemlich bewaldet hier und da es im Sonnenschein auch ziemlich warm ist, sind wir froh, dass wir jene Aufstiegsroute gewählt haben, die größtenteils im Wald liegt. Wir fühlen uns heute das erste Mal in dem Urlaub sehr an Wanderungen in den heimischen Bergen erinnert, von der Vegetation her und später auch, als sich die Szenerie des Sees und der Berge vor uns ausbreitet - ein blau schimmernder See, bewaldete Rücken bis zur Baumgrenze, danach blanker Fels. Ja, für die Wanderung hätten wir wohl nicht an diesen Teil der Welt reisen müssen - bis auf das kleine Detail, dass hier sommerliche Temperaturen herrschen und die Sonne bis 21:00 scheint. Es ist zwar in de Heimat derzeit auch ungewöhnlich warm, aber tauschen wollen wir gerade dennoch nicht.

Der See Rotouiti von oben betrachtet

Oben nach dem Gipfel sehen wir die Abzweigung - unser Wanderführer in Buchform bezeichnet sie lustigerweise immer als Abzweig - zu dem Weg, der weiter den Kamm entlang führt. Diesen Weg nimmt man, wenn man eine mehrtägige Version der Wanderung unternehmen will. Dahinter ist gleich eine riesige Tafel aufgestellt, die in der typisch amerikanisch-kanadisch übertriebenen Art darauf hinweist, was man alles beachten soll, wenn man auf Berge geht. Das fällt bei uns einfach unter Hausverstand, der hier anscheinend oft zu fehlen scheint. Ich bin schon gespannt, wann es soweit ist, dass solche Schilder bei uns aufgestellt werden.

Was für Hinweisschilder...

Oben sehen wir plötzlich den Mann mit dem Metalldetektor bei der Arbeit. Da der Weg nahe an seinem Arbeitsplatz vorbeiführt und wir in Rufreichweite sind, nütze ich die wohl einzige Gelegenheit, das Rätsel aufzulösen und frage, ob er einen Ring sucht. Treffer, er bejaht. Es sei aber nicht für ihn sondern für eine Dame, die im Winter beim Schneeballschießen doppelt Pecht gehabt hat. Nicht nur ein Ring, sondern auch der Verlobungsring sind bei der Aktion verloren gegegangen. Wir wünschen ihm alles Gute bei der Suche und gehen weiter

The dance of the sandflies

Wir nehmen nicht den selben Rückweg zum Parkplatz. Da der Weg bei unserem Abstieg nicht so bewaldet ist, merkt man die Sonneneinstrahlung und Mittagshitze deutlich. Da man vom Parkplatz aus keine Aussicht hat, fahren wir die Forststraße zurück zum Seeufer und setzen uns dort an einem menschenleeren Plätzchen ans Ufer. Ich hüpfe gleich einmal ins Wasser - das ist eine Abkühlung nach der Wanderung! Am Ufer entdecke ich dann den Fehler in der Matrix. Als ich ohne Handtuch in der Sonne und im Wind Luft-trockne, landen ein paar Sandflies auf mir. Die kann ich ganz gut verscheuchen bzw. erschlagen, da ich einfach in Bewegung bleibe, bis ich trocken bin. Das geht bei der Brise eh recht schnell und damit sollte es ja hoffentlich getan sein. Raphaela hat schon im Anti-Sandfly-Mittel gebadet, wie sie es ausdrückt, ich sprühe mich vor allem auf den Beinen meiner Meinung nach recht lückenlos ein - Raphaela meint jedoch, dass es eher homöopathische Dosen sind. Es scheint aber zu wirken, denn die mutigen Exemplare der Biester landen kurz, nur um dann gleich vor Entsetzen wieder von unseren Körpern wegzufliegen. Damit wäre das Thema doch erledigt und wir können uns ungestört unserem mitgebrachten Mittagessen widmen, oder? Doch dann wird der Fehler in der bis jetzt scheinbar makellosen Matrix unübersehbar größer. Denn ich spüre einen ersten Stich. Ich wackle erst ab und zu und dann immer öfter mit den Beinen und hoffe, dass es das gewesen ist. Widmen wir uns wieder der Traumkulisse mit See und Bergen. Doch langsam muss ich sogar aufstehen und im Gehen essen, so lästig sind die Viecher bald. Raphaela meint, ich führe einen "Sandfly-dance" auf. Das hat man davon, wenn man sich einfach nur verzweifelt diese Plagegeister vom Leib halten will. Raphaelas Giftschutzmantel scheint noch immer undurchdringlich zu sein. Als ob das alles nicht genug wäre, kommt plötzlich eine Großfamilie an den bis jetzt einsamen Strand, im Schlepptau drei Kinder, die sich mit Schwimmwesten bewaffnet kreischend und lautstark diskutierend bzw. quietschend-schreiend ins Wasser stürzen, ein viertes Kind sticht mit einem offenbar schon vorher in Betrieb genommenen Aufblas-Kajak in - den - See. Die Erwachsenen sind nicht minder leiser, sondern haben bald auf ihren Campingsesseln ein Bier in der Hand und jede Menge Anweisungen für ihre Kinder parat. Kurzum, es reicht uns jetzt. Ok, dieser Teil der Matrix ist für uns leider unbrauchbar und wir nehmen schneller Reißaus, als man sarkastisch "no worries" sagen kann. Wir machen ein paar Beweisfotos, setze uns in unser Auto und düsen los.

Silvester im Nordosten

Es geht weiter Richtung Ostküste, wo wir in Mapua, einem kleinen Ort in der Nähe von Nelson übernachten, dieses Mal sogar drei Nächte. Unser Quartier liegt im ersten Stock eines Containerhauses direkt am Wasser, im Reiseprospekt würde so etwas wie ein nicht einklagbarer seitlicher Meerblick stehen. Die Wohnung ist recht modern eingerichtet und wir fühlen uns gleich wohl. Ein erster Spaziergang an der Mole bzw. Strandpromenade bringt ein paar nette Lokale und lustiges Treiben am letzten Tag dieses Jahres zum Vorschein.

Was machen wir heute zu Silvester? Wir machen uns Salat und Pasta. Sollen wir noch weggehen? Gibt es ein Feuerwerk? Diese Frage stellen wir unserer nett wirkenden Quartierfrau per Messenger.

Die Antwort kommt prompt: Sie weiß es nicht, wir sollen im Internet schauen. Ernsthaft, sie weiß es nicht? Raphaela findet schließlich einen aktuellen Hinweis auf ein Feuerwerk eine halbe Stunde nördlich von hier - an einem Strand! Das können wir uns doch nicht entgehen lassen.

Spätestens, als wir im Ort Kaiteriteri ankommen, sieht man schon an den Menschen- und Autokolonnen, dass wir richtig sind. Schnell noch ein Parkplatz gesucht und schon stellen wir uns rechtzeitig an den Strand. Und tatsächlich, ein paar Minuten ist es soweit, auf einem Boot im Hafen werden die Feuerwerkskörper abgefeuert. Wir stehen leicht bekleidet davor, sehen wie Menschen das Schauspiel schwimmend und plantschend erleben, viele sitzen einfach im Sand und hinter uns gehen die Partypeople zur Musik ab. Das Feuerwerk ist zwar nicht das großte, das ich gesehen habe, aber es ist dank der lauen Temperatur einfach angenehm hier zu stehen und das Spektakel zu beobachten! Prosit Neujahr!

Feuerwerk in Kaiteriteri

Copyright 2022 by Raphaela and Markus