Franz Josef 1

Der derzeit nicht verregnete Westen

Das muss man sich einmal vorstellen: wir wachen heute Früh in einer der verregnetsten Gegenden der Welt auf und dann das: es lacht die Sonne vom Himmel, nur um das Gegenteil zu beweisen. Was sollen wir heute machen? Es fallen uns drei adäquate Möglichkeiten ein: eine Wanderung auf den "Alex Knob"-Berg, sehr anstrengend, aber mit Blick auf den "Franz Josef"-Gletscher, eine Fahrt zum Parkplatz, am Ende einer Straße, die etwas zynisch als "Glacier Access Road" bezeichnet wird, oder Variante drei, eine Wanderung zu "Roberts Point", wo man ein bisschen Wandern muss, mäßig anstrengend und dem Gletscher am nächsten kommt. Wir wählen letztere Variante.

Auf den Spuren von Indiana J.

Nachdem wir uns gut mit Sonnencreme und Raphaela zusätzlich mit Insektenschutz eingeschmiert haben, geht es los. Der Weg ist sehr hübsch im Urwald angelegt, Moose, Farne, Bäume, Farne so groß wie Bäume, kleinere normale Bäume und ganz generell dichter Bewuchs säumen unseren Weg. Es ist schon recht heiß, dank des Schattens, den der Wald spendet, kommen wir gut voran. Der an sich nicht so schwierig zu gehende Weg ist von großen Steinen durchsetzt, wenn sie nass sind, gilt es aufzupassen. Für Trittsichere ist der Weg kein Problem, er macht zudem einen sehr verwunschenen Eindruck. Wir passieren etliche kleine Bäche, die über den Weg fließen und das Highlight sind sicherlich die Hängebrücken, vor denen immer ein Hiweisschild angibt, wieviel Personen sie gleichzeitig zu tragen imstande ist. Heute sehen wir das erste Mal eine Brücke, wo maximal eine Person gleichzeitig drüber gehen sollte.

Die längste Brücke auf unserem Weg

Als wir das tun, ächzt die Brücke, hält aber. Weiter geht es den Hang hinauf und wir sehen zwischen der dichten Vegetation nur kurz auf das irrsinnig breite steinige bzw. schottrige Bachbett, dass sich der "Waiho River" gegraben hat.

Get to the chopper

So gut wie die ganze Zeit fliegen im Zehn-Minuten-Takt Hubschrauber über uns hinweg. Diese transportieren Gletscher-hungrige Touristen auf den Gletscher und laden sie dann für eine Begehung des selben ab. Wir haben nicht vor, so eine Tour zu machen. Wir haben gemeinsam schon eine Gletscherbegehung am "Icefield Parkways" in Kanada und ich davor schon am "Perito Moreno"-Gletscher in Chile absolviert - beides ganz ohne komplizierte An- und Abreise per Helikopter. Also geht es weiter auf unserem Waldweg. Als wir dann nach circa zweieinhalb Stunden am Ziel angekommen sind, finden wir eine ein paar Meter hohe Holzplattform vor, die auch bitter nötig ist, damit man über das Grünzeug einen Blick auf den Franz Josef Gletscher werfen kann. Wir sind von allen Möglichkeiten her - außer dem Helikopterflug natürlich - am nächsten am Gletscher dran und doch ist er noch gut zwei Kilometer von uns entfernt! Da hat uns die andere Seite der Berge doch weit besser gefallen.

Der Franz Josef-Gletscher, ein Schatten seiner selbst

Beeindruckend sind die Schmelzwasserbäche in grauer Farbe, die extrem reißend sein müssen. Wir sind froh, dass wir die Wanderung zum höher gelegenen "Alex Knob"-Berg nicht unternommen haben, denn nach all den Mühen, dort hinauf zukommen, wären wir nur mit Wolken und Nebel belohnt worden, ohne Aussicht auf Aussicht. Das Wetter hat sich nämlich ein bisschen verschlechtert, die strahlende Sonne von der Früh ist weg.

Einschub: Kiwis Es gibt laut einer Broschüre in unserem Motel-Zimmer fünf Arten von Kiwis. Man erinnere sich, das sind die einheimischen, flugunfähigen Vögel, die durch die Opossums und sonstige Marder-ähnliches Getier dezimiert werden. Diese Jäger wiederum sind von den Neuseeländer vor gut hundert Jahren eingeschleppt worden und haben hier selbst keine Feinde. Nun versuchen die Neuseeländer die Fehler der Vergangenheit wieder gut zu machen und stellen Fallen auf, um den Kiwi-Mördern Einhalt zu gebieten. Wir haben diese Holzbxen mit Köder entlang der Wanderwege zu hunderten gesehen. Die meiner Meinung nach Sinnlosigkeit dieses Unterfangens wird recht gut in der uns vorliegenden Unterlage beschrieben: Der Rowi-Kiwi ist der seltenste von allen, sein Gesamtbestand beträgt etwas weniger als 550 Individuen! Um diese Kiwi-Art zu retten, stehlen die Neuseelander den Kiwi-Mamas ihre Eier. Warum? Ist ja nur zu ihrem "Besten" , weil in freier Wildbahn nur ungefähr fünf Prozent der Jungtiere überleben. Deswegen werden sie in Sicherheit aufgezogen und, wenn sie dann größer sind, wieder in freie Wildbahn entlassen, wo sie ihren Feinden nun besser trotzen können. Si­sy­phos­ar­beit der Neuseeländer in Reinkultur, wirklich wahr.

Wir reißen uns dann irgendwann los und tempelhüpfen dann noch wieder von Stein zu Stein zurück zum Parkplatz. Dann fahren wir noch die letzten paar Meter zu dem letzten Parkplatz vor dem Gletscher und schauen uns die "Großmuttertour" von zehn Minuten Fußmarsch an. Dort ist man sage und schreibe drei Kilometer vom Gletscher entfernt. Als wir unser Mittagessen essen, fragen wir uns, ob das Anpreisen des Gletschers wohl eine Farce ist, oder ob sie in Zukunft nur mehr Helikopterfluge verkaufen wollen bzw. können. Ein Weg im Bachbett, der einen früher zumindest etwas näher zum Gletscher gebracht hätte, ist derzeit gesperrt, weil weggespült. Der Gletscher beginnt zudem, sich in Wolken bzw. Nebel zu hüllen und als wir aufbrechen wollen, sieht man fast gar nichts mehr von der Gletscherzunge.

Probiers mal mit Gemütlichkeit

Da wir nicht mehr viel Lust auf eine weitere Besichtung haben und das Wetter nun eher bewölkt ist, fahren wir zurück ins Motel, waschen unsere Wäsche, trinken eine Kaffee und ich lasse mir noch das Whirlpool im Badezimmer ein. Ja, so lässt es sich leben...

Ah ja, a propos Helikopterfluge. Ich habe recherchiert: So ein Hinflug, die Begehung des Gletschers und der Rückflug kostet etwa 500 Euro pro Person und sollte wohl ein paar Tage vorgebucht werden, denn derzeit sind keine Plätze mehr frei. Billig ist das Ganze nicht, aber wer es noch nicht kennt, kommt dort oben wahrscheinlich auf seine Kosten.

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